Credits: Bershka
Inwieweit kann, soll und muss Technologie im stationären Handel integriert werden?
Der Bershka-Store in Mailand macht es vor: Technologie und Digitales im physischen Retail – das geht. Click & Collect Stationen im Schaufenster, Optionen für den Self Check-Out (SCO), Retourenabgaben prominent im Store und Möglichkeiten für Influencer, Content zu produzieren und damit als Vervielfältiger zu agieren. Ob der Quadratmeter tatsächlich den Umsatz bringt, den hartgesottene Sales-Verantwortliche im Retail erwarten? Vermutlich nicht. Macht aber nichts. Denn der stationäre Handel verschmilzt mit dem Online-Handel und die Aufgabe der Geschäfte ist eine andere geworden. Sie sind nicht mehr (nur) für den Abverkauf verantwortlich, sondern bedienen den Bedarf nach Convenience und Destination.
Convenience
Online bestellen erscheint oft das leichteste. Doch fehlgeleitete Paketzustellungen, Verspätungen, falsche Größen und Retouren machen auch hier den Einkauf aufwändig und zeitintensiv. Einfach zugängliche Click & Collect-Terminals sowie Retouren-Stationen direkt im Store können den Prozess erleichtern. Voraussetzung: Sie stören den Kundenfluss im Laden nicht und fügen sich in das Gesamtbild ein. Zudem wird Kund*innen auch widergespiegelt, dass Paint Points im Laden wahrgenommen werden – zum Beispiel lange Warteschlangen an den Kassen, die durch Self-Check-Out umgangen werden können.
Buchbare Umkleiden, interaktive Spiegel, die Farbvariationen sowie Kombinationsvorschläge präsentieren können sowie die einfache Bestellung dieser weiteren Teile ohne dass man die Kabine verlassen muss, sind weitere technische Integrationen, die die Convenience im Store erhöhen und dadurch für viele Zielgruppen attraktiver werden. Denn am Ende ist das gewünschte Ergebnis nur eines: Mit wenig Aufwand das perfekte Outfit bekommen. Und für die Marke und den Handel: So viel wie möglich verkaufen und einen erneuten Besuch für den nächsten Einkauf sicherstellen. Technik im Store ermöglicht es – egal, ob der tatsächliche Kauf dann online oder offline erfolgt. Daher ist die Verwendung von technischen Schnittstellen zum Online-Outlet der Marke gerade für große Ketten ein Muss.
Destination
Wenn Online- und physischer Retail nahtlos im Backend miteinander verknüpft sind, ist der Abverkauf pro Quadratmeter nicht mehr ausschlaggebend. Der Store soll der Place of Experience sein, dort wo die Brand erlebt wird – Transaktionen hingegen können und sollen online erfolgen, gerne mit Schnittstellen vor Ort. Der Store soll ein einzigartiges Erlebnis bieten, einen Ort, der mehrmaligen Besuch lohnenswert macht. Doch noch wichtiger: Er soll dem Käufer ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln, das Gefühl, Teil einer Gruppe von Gleichgesinnten zu sein. Anreiz hierfür kann mannigfaltiger Art und Weise sein. Im Groben kann man diese jedoch in drei Kategorien einteilen: Event-, Instagrammable- und Community-Fokus. Wenn der Store zum zentralen Hub der Brandcommunity werden soll, macht es Sinn, hier ein zielgruppenspezifisches Programm zu erstellen – von regelmäßigen Events über wechselnde inhaltliche Kampagnen und Möglichkeiten sich untereinander zu connecten bis hin zu Memberships, die spezielle Vorteile bieten – online und vor Ort.
Zum anderen werden Stores attraktiv, wenn sie Außergewöhnliches bieten – entweder zum direkten Teilen auf den sozialen Kanälen oder durch die Möglichkeit, sich für Content in Szene zu setzen. Die Zielgruppe agiert als Vervielfältiger und macht die Location nochmals attraktiver für die jeweilige Peer Group. Design, Gamification, oder eben Technik machen es möglich. Gerade der Bershka-Store mit seinem prominent angelegten Click & Collect Tower, dem bolden Design und den großzügig angelegten Umkleiden. Gerade letztere bieten viel Platz zur Selbstinszenierung – wechselnde Licht- und Musikstimmungen, Platz für den engsten Freund*innenkreis, genug Platz, um zu posen. Umkleiden ist hier kein lästiges Muss, sondern wird zelebriert. Eine Aktivität, die man im Vorhinein plant und genießt. Der Store ist nicht länger ein Transaktionsraum, sondern schafft Emotionen und Erlebnisse.
In Asien und im Mittleren Osten werden totgesagte Malls erneut zu Destinations für die jüngere Generation. Durch digitale Zwillinge der Gebäude können Pokémon-Go-erfahrene Zielgruppen Goodies einsammeln und durch verschiedene Anreize in unterschiedlichen Läden gelotst werden. Technik die begeistert – quer durch alle Zielgruppen.
Braucht das jeder?
Nicht jeder Laden kann, soll und muss sämtliche technischen Möglichkeiten ausschöpfen. Ganz im Gegenteil. Bold formuliert: Je kleiner der Laden, desto weniger Technik rentiert sich. Gerade Boutiquen profilieren sich durch ihre Kurationsleistung, durch die Ansprache einer spezifischen Zielgruppe, die genau diese Leistung sucht und honoriert. Click & Collect und Self-Checkout sind hier weniger gewünscht als mehr Kuration und persönliche Kundenbindung. Zumal hier meist auch weniger Platz zur Verfügung steht als in den großen High-Street-Ketten.
Was jedoch für die meisten gilt: Technik sollte soweit integriert werden, dass es die Erwartung und Bedürfnisse der Kunden trifft und – am Besten – übertrifft. Vom einfachen Newsletter, um die Community einzuladen und auf die Kurationsleistung aufmerksam zu machen bis hin zum interaktiven Spiegel – Möglichkeiten gibt es genug. Die Entscheidung obliegt jeder Brand selbst.
Publiziert in FashionUnited.
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