GREEN CLAIMS

Was die neue EU-Richtlinie für nachhaltige Werbeclaims fürs Marketing bedeutet

Mit der Green Claims Directive will die Europäische Kommission Greenwashing verhindern, tatsächlich klima- und umweltfreundlichen Konsum dagegen ermöglichen. Torsten Dietz, CEO der Liganova Group, erläutert vor welche Herausforderungen und Chancen das Unternehmen sowie Agenturen stellt.

Die neue EU-Richtlinie läutet eine Ära ein. Laut einer EU-Studie sind mehr als die Hälfte aller Umweltversprechen unklar formuliert und 40 Prozent der Werbetreibenden können keine Belege für ihre Aussagen liefern. Die Green Claims Directive, kurz GCD, definiert nun klare Standards und fordert unter anderem hieb- und stichfeste Beweise für umweltbezogene Werbeaussagen. Allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „natürlich“, „biologisch abbaubar“, „klimaneutral“ oder „ökologisch“ ohne Nachweise sind verboten. Öko-Label oder Nachhaltigkeitssiegel müssen auf Zertifizierungssystemen basieren. Emissionsausgleichsysteme sind keine Grundlage mehr, um positive Aussagen zu Umweltauswirkungen eines Produkts zu machen. Wer künftig mit Begriffen wie „grün“, „nachhaltig“ oder „klimafreundlich“ werben will, muss eine Reihe rechtlicher Anforderungen erfüllen und harte Fakten liefern.

Klare Regeln statt nebulöser Versprechungen

Angaben zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität haben heute einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf das Kaufverhalten. Dass diese nachvollziehbar und belegbar sein müssen und die Verbraucher:innen auch über die wesentlichen Merkmale der getätigten Umweltaussage hinreichend informiert werden müssen, bedarf deshalb keiner weiteren Diskussion. Werbetreibende Unternehmen werden jetzt genau abwägen, ob sich Werbung für nachhaltige Produkte mit dem Argument der Nachhaltigkeit überhaupt noch lohnt. Um Green Claims in Zukunft rechtssicher verwenden zu können, müssen sie eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen: Unter anderem gilt es genau anzugeben, ob sich die Aussage auf das gesamte Produkt, auf Teile davon oder auf bestimmte Unternehmensaktivitäten bezieht. Wer mit einer umweltbezogenen Aussage wirbt, muss zudem den gesamten Lebenszyklus des beworbenen Produkts berücksichtigen und sicherstellen, dass die gesetzlichen Anforderungen übertroffen werden. Wissenschaftliche Belege sind erforderlich und die Informationen sollten für die Verbraucherinnen und Verbraucher leicht zugänglich sein, zum Beispiel per QR-Code oder online. Das sind nur einige von vielen Anforderungen, die in Zukunft zu erfüllen sind. Niemand sollte also auf die Idee kommen, leichtfertig mit Umweltaussagen umzugehen: Neben einem Shitstorm in der Öffentlichkeit drohen bei Verstößen Strafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes.

Chancen für die Marketing- und Werbeindustrie

Die GCD als deutliches Zeichen gegen Greenwashing führt schon jetzt zu einer weiter gestiegenen Aufmerksamkeit in der Gesellschaft, die insbesondere auch die Marketing- und Werbeindustrie zum Handeln zwingt: Es gilt, sehr genau darauf zu achten, welche Nachhaltigkeitsbotschaften in welcher Form Teil der Kommunikation sind. Klagen gegen die Drogeriemarktkette dm, den Süßwarenhersteller Katjes oder den Autohersteller Tesla zeigen, dass die Gerichte vor allem Transparenz einfordern. Zudem verlangen umweltbewusste Menschen beim Übergang zu einer grünen Wirtschaft mehr Ehrlichkeit und Transparenz, die die Richtlinie nun auch datengestützt einfordert.

Deshalb ist es wichtig, Datengrundlagen zum Thema Nachhaltigkeit in attraktive Kampagnen umzuformulieren. Auch Umweltdaten wollen erlebbar sein. Ein gutes Beispiel ist Fritz Kola: Mit „Das gute spricht Klartext“ wird der Nachhaltigkeitsbericht verständlich und aufmerksamkeitsstark präsentiert. Die Marke zeigt damit auf, wie der Balanceakt gelingen kann, die komplexe Zahlen- und Faktenwelt auf möglichst einfache Weise zugänglich zu machen. Eine Herausforderung, der sich die gesamte Branche stellen muss.

So verwundert es nicht, dass die GWA-Studie „Green Monitor“, die unter anderem die Zusammenarbeit mit Agenturen und Unternehmen im Kontext Nachhaltigkeit prüft, zu folgendem Ergebnis kommt: Ein Drittel der Unternehmen setzt nachhaltiges Agieren seitens der Agenturen voraus. Noch aussagekräftiger ist der Ausschluss von Agenturen ohne Nachhaltigkeitsmanagement, von dem 60 Prozent der Befragten in spätestens vier Jahren ausgehen. Die Ansprüche umfassen ein immer breiter werdendes Portfolio an Dienstleistungen und gehen über die Umsetzung von passenden Image- und Produktkampagnen hinaus. Gewünscht werden zunehmend Hilfestellungen für Standard- und Zielsetzung, sowie Beratungsdienstleistungen im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagement und Lösungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – man könnte von einer Full-Sustainability-Service-Agency sprechen.

Es braucht einen umfassenden Wandel

Die Kommunikationsbranche muss sich entsprechend auf die GCD einstellen. Agenturen sollten vorbereitet sein und jetzt ihr Portfolio auf Zukunftsfähigkeit prüfen – und im besten Falle über die Erschließung neuer Potenziale nachdenken. Wer sich umweltbewusst positioniert, braucht Substanz. Zunächst kommt es darauf an, wie nachhaltig eine Agentur aufgestellt ist. Das betrifft nicht nur die nachhaltige Gestaltung der Agenturräume und die Reisepolitik, auch welche Materialien zum Einsatz kommen und wie sich die Lieferkette gestaltet, ist entscheidend. Und ganz wichtig: Ist generell Nachhaltigkeitsexpertise vorhanden, um Unternehmen in diesem Punkt strategisch zu beraten? Dazu gehört auch, den rechtlichen Fallstricken der neuen GCD adäquat zu begegnen. Unternehmen sind jetzt verstärkt auf einschlägige Expertise angewiesen, die sie auf dem Weg zu einer rechtssicheren und wirkungsvollen Nachhaltigkeitskommunikation unterstützt.

Fazit: Nachhaltigkeitskompetenz wird zum Maßstab. Gesetze wie die neue EU-Richtlinie für nachhaltige Werbeaussagen sorgen für Dynamik und machen Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Kriterium, das belegbar sein muss. Die Green-Claims-Richtlinie wird für die Kommunikation nachhaltiger Werbebotschaften Standards setzen. Was früher nice to have war, wird zunehmend zum must-have. Agenturen, die bei diesem sensiblen Thema kompetent unterstützen, verschaffen sich einen klaren Wettbewerbsvorteil. Sie helfen ihren Kunden, mit innovativen Kampagnen Transparenz auf allen Kanälen zu gewährleisten. Für Agenturen ist diese Entwicklung daher eine große Chance, sich neu zu positionieren und einen wichtigen Beitrag zum ökonomischen, ökologischen und sozialen Wandel zu leisten.

Über den authorTorsten DietzCo-CEO

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